Freigeist (68) • Emergenz und Reduktion • Hör-Kolumne von Helmut Fink

Die Wissenschaften unterscheiden sich durch ihre Komplexität: Die Physik formuliert Grundlagen für Chemie und Biologie, darauf bauen wiederum Psychologie und Soziologie auf. In welcher Beziehung stehen diese Komplexitätsebenen und was bedeutet dies für das Verhältnis der einzelnen Wissenschaften untereinander? Innerhalb der Wissenschaftsphilosophie sorgen diese Fragen immer wieder für Debatten. In der Vergangenheit versuchte man meist, das Komplexe durch Wechselwirkung der Teile zu erklären. Im Gegensatz zu diesem reduktionistischen Ansatz steht die Betonung der Emergenz, also der Beobachtung, dass auf höheren Ebenen neuartige Phänomene auftreten und Eigengesetzlichkeiten entstehen können. Beide Sichtweisen haben etwas für sich, so Helmut Fink. In seiner Hörkolumne stellt er zunächst einflussreiche Vertreter beider Positionen und ihre Argumentationen vor. Anschließend plädiert er für einen schwachen Reduktionismus, der mit einer schwachen Emergenz vereinbar ist. Das bedeutet, Reduktion dort zuzulassen, wo sie sinnvoll ist, und andererseits anzuerkennen, dass komplexe Phänomene Eigenschaften aufweisen, die den einzelnen Bestandteilen fehlen. Auf dieser Basis könne auch der Dialog zwischen den Vertretern so unterschiedlicher Wissenschaften wie Physik und Soziologie gelingen. Fink kommt zu dem Schluss, dass der naturwissenschaftliche und der kulturwissenschaftliche Zugang beide ihren Platz im naturalistischen Humanismus haben und das Potenzial besitzen, einander zu ergänzen.

 

01.11.2023|

Podcast-Gespräch • Prof. Dr. Dr. Gerhard Vollmer • Wissenschaft gestern, heute und morgen

Prof. Dr. Dr. Gerhard Vollmer ist Physiker, Philosoph und Mitbegründer der Evolutionären Erkenntnistheorie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Biowissenschaft, Wissenschaftsphilosophie und Künstliche Intelligenz. Im Gespräch mit Helmut Fink schildert Vollmer seine Perspektive auf den Wandel wissenschaftlicher Debatten in den letzten Jahrzehnten, von der eigenen Pionierarbeit als Forscher über die Auseinandersetzung mit postmoderner Beliebigkeit bis hin zur Faszination für die Erkenntnisse der Grundlagenforschung.

15.03.2021|
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