Freigeist (68) • Emergenz und Reduktion • Hör-Kolumne von Helmut Fink

Die Wissenschaften unterscheiden sich durch ihre Komplexität: Die Physik formuliert Grundlagen für Chemie und Biologie, darauf bauen wiederum Psychologie und Soziologie auf. In welcher Beziehung stehen diese Komplexitätsebenen und was bedeutet dies für das Verhältnis der einzelnen Wissenschaften untereinander? Innerhalb der Wissenschaftsphilosophie sorgen diese Fragen immer wieder für Debatten. In der Vergangenheit versuchte man meist, das Komplexe durch Wechselwirkung der Teile zu erklären. Im Gegensatz zu diesem reduktionistischen Ansatz steht die Betonung der Emergenz, also der Beobachtung, dass auf höheren Ebenen neuartige Phänomene auftreten und Eigengesetzlichkeiten entstehen können. Beide Sichtweisen haben etwas für sich, so Helmut Fink. In seiner Hörkolumne stellt er zunächst einflussreiche Vertreter beider Positionen und ihre Argumentationen vor. Anschließend plädiert er für einen schwachen Reduktionismus, der mit einer schwachen Emergenz vereinbar ist. Das bedeutet, Reduktion dort zuzulassen, wo sie sinnvoll ist, und andererseits anzuerkennen, dass komplexe Phänomene Eigenschaften aufweisen, die den einzelnen Bestandteilen fehlen. Auf dieser Basis könne auch der Dialog zwischen den Vertretern so unterschiedlicher Wissenschaften wie Physik und Soziologie gelingen. Fink kommt zu dem Schluss, dass der naturwissenschaftliche und der kulturwissenschaftliche Zugang beide ihren Platz im naturalistischen Humanismus haben und das Potenzial besitzen, einander zu ergänzen.

 

01.11.2023|

Freigeist (23) • Leben und Philosophie Bertrand Russells • Hör-Kolumne von Helmut Fink

Anlässlich des 50. Todestages von Bertrand Russell gibt Helmut Fink in seiner Hör-Kolumne „Freigeist“ einen Einblick in Leben und Werk des großen öffentlichen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts und erklärt, was Russell gerade Säkularen bis heute zu bieten hat. Im ersten Teil widmet sich Fink dabei Fragen wie: Durch welche Arbeiten machte Russell sich in der Philosophie der Mathematik einen Namen? Was war sein Ansatz bei der Wissenschaftstheorie? Wie verteidigte er die Anwendung von Logik und Empirie zum Verständnis der Welt gegen idealistische Kritik und Schwärmerei für Ganzheitlichkeit? Im zweiten Teil geht es um den Einfluss Russells in Gesellschaft und Politik. Denn der privilegiert im viktorianischen England aufgewachsene Philosoph war auch Religionskritiker, kämpfte prominent gegen die Dogmen seiner Zeit und setzte sich für Freiheit, Frauenrechte und Pazifismus ein. So gewann er für einen gesellschaftskritischen Essay den Nobelpreis für Literatur und saß wegen seines Engagements für Kriegsdienstverweigerer und Aufrufe zum Widerstand gegen die Staatsgewalt zwei Mal im Gefängnis.

01.02.2020|
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