Freigeist (68) • Emergenz und Reduktion • Hör-Kolumne von Helmut Fink

Die Wissenschaften unterscheiden sich durch ihre Komplexität: Die Physik formuliert Grundlagen für Chemie und Biologie, darauf bauen wiederum Psychologie und Soziologie auf. In welcher Beziehung stehen diese Komplexitätsebenen und was bedeutet dies für das Verhältnis der einzelnen Wissenschaften untereinander? Innerhalb der Wissenschaftsphilosophie sorgen diese Fragen immer wieder für Debatten. In der Vergangenheit versuchte man meist, das Komplexe durch Wechselwirkung der Teile zu erklären. Im Gegensatz zu diesem reduktionistischen Ansatz steht die Betonung der Emergenz, also der Beobachtung, dass auf höheren Ebenen neuartige Phänomene auftreten und Eigengesetzlichkeiten entstehen können. Beide Sichtweisen haben etwas für sich, so Helmut Fink. In seiner Hörkolumne stellt er zunächst einflussreiche Vertreter beider Positionen und ihre Argumentationen vor. Anschließend plädiert er für einen schwachen Reduktionismus, der mit einer schwachen Emergenz vereinbar ist. Das bedeutet, Reduktion dort zuzulassen, wo sie sinnvoll ist, und andererseits anzuerkennen, dass komplexe Phänomene Eigenschaften aufweisen, die den einzelnen Bestandteilen fehlen. Auf dieser Basis könne auch der Dialog zwischen den Vertretern so unterschiedlicher Wissenschaften wie Physik und Soziologie gelingen. Fink kommt zu dem Schluss, dass der naturwissenschaftliche und der kulturwissenschaftliche Zugang beide ihren Platz im naturalistischen Humanismus haben und das Potenzial besitzen, einander zu ergänzen.

 

01.11.2023|

Podcast-Gespräch • Nico Büttner • Augenhöhe (11): politische Einstellung und Persönlichkeit

Welcher Zusammenhang besteht zwischen unseren Persönlichkeitsmerkmalen und unseren politischen Vorlieben? Lassen sich komplexe Charaktere wirklich anhand von nur fünf Merkmalen – der Big Five – abbilden? Kann man anhand unseres Persönlichkeitsprofils Unterschiede in der Bewertung von Migranten und Asylsuchenden ableiten? Darüber unterhielten sich Brigitte Winkelmann und Nico Büttner im Podcastgespräch. Nico Büttner ist Politikwissenschaftler und erforscht in Oxford im Rahmen seiner Doktorarbeit den Zusammenhang von Persönlichkeitseigenschaften und politischen Einstellungen.

Shownotes:
• Wer den Big Five-Test selbst machen möchte, findet ihn hier (in englischer Sprache)

15.09.2023|

Podcast-Gespräch • Meinard Kuhlmann • Wissenschaftsphilosophie im Einsatz

Quantenmechanik und Quantenfeldtheorien spielen eine zentrale Rolle in der mathematischen Naturbeschreibung. Quantenfeldtheorien haben sich in der fundamentalen Physik als überaus erfolgreich erwiesen, da ihre Voraussagen sehr präzise überprüfbar sind. Dennoch sind wichtige Interpretationsfragen nach wie vor umstritten. Zudem sind Quantentheorien und Quantenfeldtheorien in ihren Grundbegriffen unvereinbar mit der zweiten grundlegenden Rahmentheorie der theoretischen Physik, der Relativitätstheorie. Deshalb erwarten Fachleute, dass die fundamentale Physik in absehbarer Zukunft eine grundsätzliche Veränderung erfahren wird. Zu ihnen gehört auch PD Dr. Meinard Kuhlmann, der an der Universität Mainz die Professur für Wissenschaftsphilosophie vertritt. Mit ihm spricht Helmut Fink über die Funktion dieser Theorien als Vorhersageinstrument und als Versuch, ein Stück der Welt abzubilden. Als weiteren Aspekt betrachten sie die Philosophie komplexer Systeme, die Ökonophysik, die Ansätze der Physik anwendet, um sozioökonomische Phänomene zu verstehen.

15.04.2023|

Podcast-Gespräch • Prof. Dr. Monika Eigmüller & Dr. Stefan Wallaschek • Augenhöhe (7): Soziale Medien als Polarisierungsverstärker?

Inwieweit sind Wertekonflikte, wie sie sich in polarisierten Meinungen und politischem Extremismus ausdrücken, auf Kommunikationsmuster in sozialen Medien zurückzuführen? Diese Kernfrage untersucht das europäische Verbundprojekt ValCon, durchgeführt von der Europa-Universität Flensburg, der Universität Florenz und der Universität Carlos III zu Madrid. Hierzu betrachten die Forscherinnen und Forscher die Dynamik von Wertekonflikten in den sozialen Medien und ihre Auswirkungen auf die Legitimität der politischen Ordnung. Sie untersuchen und vergleichen Debatten zu den Themen »Meinungsfreiheit«, »Unabhängigkeit der Justiz« und »Gleichberechtigung der Geschlechter« auf Plattformen wie Twitter, Instagram und Facebook sowie in klassischen Medien in 6 europäischen Ländern. Die Studie geht aber über einen reinen Ländervergleich hinaus, indem sie nach länderübergreifenden Trends in der Wertedebatte fragt. Hierzu kombiniert und synthetisiert sie Meinungsumfragen und Medieninhaltsanalysen. In einem separaten Covid-19-Zusatzmodul analysiert das Team zudem am Beispiel der Anti-Lockdown-Proteste die Muster und Resonanz digitaler Mobilisierung. Brigitte Winkelmann spricht mit der Projektkoordinatorin Prof. Dr. Monika Eigmüller und Dr. Stefan Wallaschek von der Europa Universität Flensburg über Methodik, Inhalte, Herausforderungen und die ersten Ergebnisse der Studie.

Abbildungen:
Monika Eigmüller – Europa-Universität Flensburg
Stefan Wallaschek – Lukas Klose

15.01.2023|

Freigeist (35) • Hans Albert – rational, kritisch, konsequent • Hör-Kolumne von Helmut Fink

Am 8. Februar 2021 feiert der Philosoph Hans Albert seinen 100. Geburtstag. Als einer der Hauptvertreter des kritischen Rationalismus hat er die philosophische Debatte in Deutschland jahrzehnetelang entscheidend mitgeprägt. In dieser Folge seiner Hör-Kolumne »Freigeist« stellt Helmut Fink Leben und Werk dieses streitbaren und anregenden Denkers vor.

01.02.2021|
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